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Vegan essen aber Leder tragen – wie passt das zusammen?

Beim Thema Leder und Veganismus scheiden sich die Geister. Die einen lehnen als Veganer*innen Leder und andere tierischen Materialien strikt ab, andere haben kein Problem damit. Aber ist das dann überhaupt richtiger Veganismus? Und welche Gründe sprechen für Leder und Wolle – und welche dagegen? Meine Meinung dazu erfahrt ihr in diesem Artikel.

Seit mehreren Jahren ernähre ich mich nun komplett vegan – vorausgegangen waren fast zwölf Jahre vegetarische Ernährung. Und auch wenn in den letzten Jahren das Thema immer größere Aufmerksamkeit bekommen hat und allein die immer vielfältigere Produktauswahl in Supermärkten dafür spricht, dass die vegane Ernährung immer populärer wird, gibt es noch immer viele Unklarheiten rund um dieses Thema bzw. wird gerne die Moralkeule geschwungen um auf vermeintliche Fehler aufmerksam zu machen:

Aber du trägst doch jetzt Lederschuhe, oder nicht?

Die Sache mit dem Leder – und anderen Materialien tierischen Ursprungs

Eine weit verbreitete Annahme ist, dass man, sobald man sich dazu entscheidet, auf Fleisch, Milch und Co. zu verzichten, man auch ansonsten jede Form von Produkten mit oder aus tierischen Materialien mit einer Abwehrhaltung begegnet. Doch einfach Teile aus Leder und Wolle wegschmeißen? Ist das überhaupt nötig oder macht es mich zu einer „besseren“ Veganerin, wenn ich nichts mehr aus Leder oder Wolle zu Hause habe?

Aber: schauen wir uns zuerst einmal die Fakten der Lederindustrie an, die einfach zu dem Thema dazu gehören.

Über Tierleid und Umweltverschmutzung

Ich habe ganz lange angenommen, dass Leder ein Abfallprodukt der Fleischindustrie ist – schließlich wird das ja eigentlich nicht weiter verwendet und dachte, dass es deshalb ein nachhaltiges Produkt sein würde. Aber: da hab ich mich geirrt. Das Ledergeschäft ist so lukrativ, dass pro Jahr mehr als 1 Milliarde Tiere für die Lederproduktion getötet werden. Für ein Kilogramm Leder werden mehr als 17.000 Liter Wasser benötigt – als ich das gelesen hab, war ich ehrlich gesagt ziemlich sprachlos. Zudem werden mehr als 40% der Tiere ausschließlich für die Lederproduktion getötet. Um das Leder haltbar zu machen und zu gerben werden Chromsalze eingesetzt – Chrom III und Chrom VI, welche zwar u.a. für eine höhere Reißfestigkeit des Leders sorgen und für einen schnelleren Gerbungsprozess sorgen, aber aus umwelttechnischer Sicht nicht ungefährlich sind, da sich die Salze in der Umwelt anreichern, Gewässer verschmutzen und giftig für die darin lebenden Tiere sind. Rund 85% der Lederprodukte sind chromgegerbt. Als Alternative hierzu gibt es pflanzliche Gerbungsverfahren.

Auch bei der Wollproduktion gibt es einige Punkte, die man sich näher anschauen sollte:

Wenn man an Wolle denkt, kommt einem vermutlich als erstes das Wort „natürlich“ in den Sinn – jedenfalls gehts mir so. Wolle ist ein Material natürlichen Ursprungs, langlebig, hält ohne Synthetik warm und man muss die Kleidungsstücke selten waschen. Doch wie sieht es mit der Haltung der Tiere aus? Und woher kommt die Wolle für unsere Pullover?

Ein großer Teil der Wolle, die hier in Deutschland als fertige Kleidungsstücke zu kaufen sind, kommt aus Australien oder Neuseeland. Neben Argentinien sind diese Länder die Hauptproduzenten für Schafswolle. Allein in Australien werden ca. 70 Millionen Schafe gehalten. Ein großer Kritikpunkt ist das Mulesing, was in Deutschland verboten ist, in Australien jedoch noch Praxis ist. Die Tiere haben große Hautfalten, in denen sich viel Feuchtigkeit sammelt – am Hinterteil sammelt sich dort viel Kot und Urin. Damit Fliegenmaden dort keine Eier ablegen, werden beim Mulesing Hautfalten rund um das Hinterteil ohne Betäubung weggeschnitten.

Auch andere Punkte, die umwelttechnisch relevant sind, muss man sich beim Thema Wolle genauer anschauen: um eine Tonne Rohfaser Wolle zu erzeugen, benötigt man 67 Hektar Land. Zudem produzieren die Tier bei der Verdauung Methangas und bei der Produktion konventioneller Wolle kommen Pestizide zum Einsatz, um u.a. die Grasflächen vor Schädlingen zu schützen.

Das sind natürlich noch lange nicht alle Fakten, sondern nur Auszüge – hier könnt ihr mehr zum Thema Wolle und hier mehr zum Thema Leder nachlesen.

Ganz ehrlich? Ich finde diese Fakten wahnsinnig ernüchternd. Vom Mythos der „natürlichen“ Materialien bleibt irgendwie nicht mehr viel übrig. Natürlich gibt es auch Ausnahmen – Firmen, die umweltfreundlicher arbeiten und deren Produkte auf nachhaltigere Weise hergestellt werden.

Viele Wege führen nach Rom – und zur veganen Ernährung

Eine Sache muss man bei dem Thema immer im Hinterkopf behalten: ebenso vielfältig, wie Menschen ganz allgemein sind, ist auch ihre Herangehensweise an das Thema Ernährung, und was ansonsten damit verbunden ist. Es gibt Menschen, die zusammen mit dem Entschluss, sich vegan zu ernähren, sich auch von allen Konsumgütern, die Materialien tierischen Ursprungs haben, trennen. Ebenso gibt es aber auch diejenigen, die die Kleidung und Co., die beispielsweise aus Leder sind, weiterhin tragen und verwenden. Ich glaube das liegt daran, dass die Gründe, warum man sich vegan ernährt, einfach so unterschiedlich sind: Es gibt ethisch/moralische Herangehensweisen, Tierschutzgründe, nachhaltige Gründe, die die Umwelt und das Klima betreffen, oder auch das Bedürfnis, im Einklang mit der Natur zu leben. Entsprechend unterschiedlich sind auch die Schwerpunkte, die man sich dann persönlich setzt.

vegan essen vs. vegan leben

Außerdem kann man natürlich noch zwischen zwei weiteren Punkten unterscheiden: Vegan essen und vegan leben. Denn der erste Punkt bezieht sich ausschließlich auf die Ernährung: sprich, wenn ich mich vegan ernähre, kommen keinerlei Produkte tierischen Ursprungs auf meinen Teller, also kein Fleisch und Fisch und keine Milchprodukte. Das bedeutet erst mal grundlegend nicht mehr und nicht weniger. Wenn ich über mich selbst sage, dass ich vegan lebe, bezieht zusätzlich zur Ernährung deutlich mehr Punkte ein, z.B. Kleidung, Kosmetik, aber auch sowas wie Möbel etc.

Selbstverständlich muss sich auch niemand „labeln“ – aber ich glaube einfach, dass man in diesem Bereich einfach auch Unterschiede gibt bzw. Schwerpunkte, die man sich selbst setzt, Punkte die einem selbst einfach wichtiger sind als andere Punkte.

Was spricht gegen Leder- und Wollprodukte – und was dafür?

Gegen Produkte aus tierischen Materialien spricht der Punkt, dass für viele Veganer*innen nicht nur das Essen wichtig ist, sondern eben auch alle weiteren Produkte die man konsumiert. Zudem sorgt man mit dem Tragen dieser Kleidung (was auch gegen Secondhand-Artikel spricht) dafür, dass es normalisiert wird, wenn man Leder und Wolle trägt. Der Umweltaspekt und die Tatsache, dass viel Tierleid damit einhergeht, sind auch definitiv Punkte, die dagegen sprechen.

Was gibt es denn für Punkte, die für das Tragen von Leder und Wolle sprechen?

Die Sache mit der Nachhaltigkeit

Für viele passen Leder und Veganismus nicht zusammen – und das ist natürlich genauso okay, wie der Gegensatz dazu. Es gibt so viele Herangehensweisen an das Thema und ich habe für mich beschlossen, dass es für mich okay ist, Leder und Wolle zu tragen – mit einem großen ABER. Denn neu würde ich mir keine Lederschuhe oder Wollpullover mehr kaufen, der letzte Neukauf von Lederschuhen ist schon einige Jahre her. Ich möchte mit meinem Kauf diese Industrie nicht mehr unterstützen – auch nicht, wenn es sich um nachhaltig produzierte Produkte handelt. Aber: gebrauchte Woll- oder Lederteile ziehen schon eher bei mir ein. Produkte, die bereits im Kreislauf sind und die nicht neu produziert wurden. Wobei ich auch hier sagen muss, dass ich in den letzten Jahren deutlich weniger Kleidungsstücke und Schuhe aus Leder oder Wolle gebraucht gekauft habe. Aber: die Teile, die nicht vegan sind und schon seit langer Zeit Lieblingsstücke von mir sind, bleiben auch weiter in meinem Kleiderschrank und werden erst aussortiert, wenn sie mir nicht mehr passen oder gefallen.

Dass sie nicht vegan sind, ist für mich kein Grund fürs Aussortieren. Denn für mich persönlich spielt das Thema Nachhaltigkeit in Bezug auf Veganismus eine große Rolle. Der Produktionsprozess ist in der Regel alles andere als nachhaltig – doch bei richtiger Pflege kann das Endprodukt einen wirklich lange begleiten. Und Kleidung lange zu tragen ist das nachhaltigste was man machen kann. Das spricht ebenfalls für diese Produkte: ein Wollpulli oder Lederschuhe, die eine gute Qualität haben, werden einen lange begleiten. Gerade wenn es Richtung Winter geht, und man wieder zu wärmeren Kleidungsstücken greift, bin ich einfach ein Fan von Wollpullovern. Denn sie halten wirklich warm (im Gegensatz zu Baumwolle) und man kann sie bedenkenlos waschen, da es ein natürliches Material ist und sich kein Mikroplastik löst (im Gegensatz zu Polyester). Natürlich gilt auch hier, genau wie bei allen anderen Themen auch: bewusst zu konsumieren – und vor allem: die Kleidungsstücke wertzuschätzen und sie eben so zu behandeln und zu pflegen, dass sie möglichst lange erhalten bleiben.

Am Ende ist es eine ganz persönliche Entscheidung

Ich kann es durchaus nachvollziehen, wenn jemand komplett gegen Leder und Wolle ist und keine Produkte mehr daraus tragen oder haben möchte. Wenn man nach und nach diese Produkte durch vegane Alternativen ersetzt, wie z.B. Piñatex (Ananasleder) und die alten Kleidungsstücke weiter verschenkt etc. ist das auf jeden Fall auch eine nachhaltige Möglichkeit. Neu kommt für mich auch kein Leder oder Wolle mehr infrage – aber sie werden weiterhin im Schrank bleiben – in Form von langjährigen Lieblingsstücken.

Wie siehts bei euch aus – tragt ihr Leder und Wolle als Veganer*in? Was ist eure Meinung dazu? Teilt sie gerne in den Kommentaren mit uns!

Eure Julia

Quellen:
https://www.peta.de/themen/13-fakten-die-uns-die-globale-lederindustrie-verheimlicht/
https://albert-schweitzer-stiftung.de/aktuell/schafwolle
https://www.wir-leben-nachhaltig.at/aktuell/detailansicht/wolle
https://veggienale.de/der-mythos-vom-naturprodukt-leder
https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/tierleid-bei-der-wollproduktion
http://www.oeko-fair.de/clever-konsumieren/kleiden-schmuecken/leder/herstellung6/gerben/chromgerbung
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/leder-giftige-schuhe-stinkende-handtaschen-1.3600926
https://www.quarks.de/umwelt/so-schmutzig-ist-die-herstellung-von-leder/
https://www.geo.de/wissen/17727-rtkl-leder-faq-was-sie-wirklich-ueber-leder-wissen-muessen

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