Ich liebe Hunde – ich bin mit Hunden groß geworden und für mich waren diese Vierbeiner immer mehr als bloß Haustiere, sondern Familienmitglieder. Deshalb war mir irgendwann klar: wenn es mein Job und meine Wohnsituation irgendwann zulässt, und es sich einfach nach der richtigen Zeit anfühlt, darf auch bei mir ein Hund einziehen. Im Juli diesen Jahres war es soweit: die (nicht mehr ganz so) kleine Nola hat ihren Weg zu mir gefunden und stellt seit dem meinen Alltag ganz schön auf den Kopf.
Bevor ich mich für sie entschieden habe, habe ich sehr viel gelesen, hab so ziemlich jedes YouTube Video zu dem Thema angeschaut und Erfahrungsberichte verschlungen. Vielleicht überlegt ihr euch ja auch gerade, einen Hund zu adoptieren – deshalb möchte ich heute meine Erfahrungen mit euch teilen.
Wir spulen ein paar Monate zurück
Doch ich muss etwas früher ansetzen, denn so eine Entscheidung fällt man nicht von heute auf morgen. Sie verändert das komplette Leben – und zwar für die nächsten zehn, fünfzehn Jahre. Bereits Ende letzten Jahres war mir klar, dass es in diesem Jahr soweit sein soll. Außerdem wusste ich, dass ich einen Hund aus dem Tierschutz adoptieren und keinen Hund vom Züchter möchte. Ob aus dem Ausland oder aus einem Tierheim hier in Deutschland war mir egal. Ich hab nicht nach einer bestimmten Organisation gesucht, sondern mir einfach viele Anzeigen angeschaut.
Also habe ich gesucht – sehr sehr lange. Ich habe über Wochen und Monate viele Websites und Anzeigen durchstöbert, mir Bilder und Videos angeschaut und Beschreibungen durchgelesen.
Im Mai bin ich dann schließlich auf die Anzeige von Nola (damals hatte sie noch einen anderen Namen) gestoßen – und es hat sofort Klick gemacht. Die Beschreibung hat gut gepasst und ich habe die Tierschutzorganisation kontaktiert. Nach einem sehr intensiven Austausch und Überprüfungen von Seiten der Organisation habe ich die Zusage für sie bekommen und war so unfassbar glücklich; endlich konnte ich mir diesen Traum erfüllen!
Dann hieß es: warten
Nola ist ein Straßenhund aus Lissabon und vermutlich im Januar oder Februar diesen Jahres geboren – sie wurde zusammen mit ihren drei Geschwistern von der Straße gerettet, als sie wirklich noch sehr jung waren. Sie lebte bis zu ihrer Ausreise in einem Tierheim in der Nähe von Lissabon – es war also eine Direktadoption, ohne Pflegestelle als Zwischenstopp.
Die Tierschutzorganisation hat einen Transporter umgebaut, mit dem die Tiere aus- bzw. einreisen – und da aufgrund der Corona Pandemie die Grenzen zwischenzeitlich komplett geschlossen waren, hat sich Nolas Ausreise etwas verzögert und fand dann schließlich im Juli statt. Bis dahin habe ich die Zeit genutzt, um mich vorzubereiten: die Wohnung wurde hundesicher gemacht, ich habe mich mit Freunden und Bekannten ausgetauscht, noch mehr gelesen und noch mehr Videos geguckt.
Und dann war es endlich soweit
Die Tage vor der Abholung war ich definitiv schon aufgeregt – und in der Nacht zum 18.07, das war dann DER Tag, habe ich im Prinzip nicht geschlafen – die Aufregung war zu groß.
Und dann ging es relativ früh mit dem Auto Richtung Süden – in die Nähe von Basel, zum vereinbarten Treffpunkt.
Nach ca. 60 Minuten Wartezeit kam der Transporter endlich an – und mein Herz begann zu rasen. Es wurde ein Tisch aufgebaut, und alle Unterlagen bereit gelegt – insgesamt waren 24 Hunde in dem Transporter, die auf ihre neuen Besitzer*innen warteten. Ich hatte großes Glück und musste nicht lange darauf warten, dass Nola aus dem Transporter geholt wurde – sie war die allererste. Und dann war es endlich soweit, und Nola kam so freundlich, so aufgedreht und fröhlich auf mich zu gerannt, als wäre es ein Wiedersehen und kein Kennenlernen. Sie ist an mir hochgesprungen, hat mir durchs Gesicht geschleckt und war einfach nur total wild und fröhlich. Nach einer kurzen Spazierrunde, damit sie sich die Beine vertreten konnte, ging es wieder zum Auto – ab nach Hause.
Die Rückfahrt verlief vollkommen ohne Probleme – nachdem sie alles gründlichst abgeschnüffelt hatte, hat sie sich etwas beruhigt und neben mich auf die Rückbank gelegt. Von Sekunde eins war sie unfassbar zutraulich und ich wusste, dass ich genau die richtige Entscheidung getroffen habe.

Die Ankunft zuhause und die ersten Tage
Als wir wieder in Mainz angekommen sind, ging es noch nicht direkt in die Wohnung, sondern erst noch mal eine kleine Runde spazieren. Ich hatte natürlich die Hoffnung, dass sie vielleicht ihr Geschäft erledigt, aber dafür war das natürlich alles viel zu aufregend. Das beschreibt auch ganz gut ihre ersten Tage hier: es war alles verdammt aufregend. Am ersten Abend nach der Ankunft ist sie überhaupt nicht zur Ruhe gekommen – was auch total verständlich ist. Alles ist neu: die Umgebung, der Klang der Sprache, die Gerüche; die anderen Hunde und Menschen, mit denen sie vorher täglich zusammen war, waren plötzlich auch nicht mehr da.
Sie war im Prinzip überhaupt nicht zu beruhigen und ist die ganze Zeit rumgelaufen, kaum dass sie sich hingesetzt hat, ist sie schon wieder aufgesprungen. Die erste Nacht verlief entsprechend ähnlich – sie hat sich erst ein bisschen beruhigt, als ich mich zu ihr auf den Boden, neben ihr Hundebett gelegt habe, um sie zu streicheln.
Die nächsten Tage verliefen ähnlich unruhig – und auch, wenn ich wusste, dass das natürlich total normal ist und sie einfach Zeit brauchte, um hier anzukommen, empfand ich diese Zeit als extrem anstrengend und ermüdend: Gefühlt 100 Mal am Tag zu sagen, dass sie nicht mit den Pfoten auf den Esstisch darf, ihr direkt zu Anfang ihre Grenzen aufzuzeigen, laugt einen irgendwann aus. Denn natürlich war alles in der Wohnung interessant für sie und alles musste erkundet werden. Obwohl ihr einige Dinge nicht ganz geheuer waren und sie sich erschreckt hat, wie beispielsweise der Hocker in der Küche, war sie doch total mutig und wollte jede Ecke, jeden noch so kleinen Winkel in ihrem neuen Zuhause erkunden.
Rückblickend betrachtet waren die ersten Tage so ziemlich das Anstrengendste, was ich seit langem erlebt habe – weil ich mich so sehr darauf konzentriert habe, dass es Nola gut geht, habe ich mich nicht gut um mich selbst gekümmert. Neben dem wenigen Schlaf habe ich eher ungesund gegessen und meine Routinen vernachlässigt. Natürlich ist es leicht zu sagen, dass ich da beim nächsten Mal drauf achten würde – aber mir ist in der Zeit gar nicht in den Sinn gekommen, meine eigenen Bedürfnisse irgendwie in den Vordergrund zu stellen. Wenn Nola endlich mal auf der Couch liegen geblieben und eingeschlafen ist, bin ich neben ihr sitzen geblieben – denn sobald ich aufgestanden bin, hat sie mir das natürlich nachgemacht. Und eines ist gerade in den ersten Tagen enorm wichtig: schlafen. Sie sollte schlafen, sie musste schlafen, um den fast 30 stündigen Transport und all die neuen Eindrücke zu verarbeiten.
Wenn zu Aufregung Angst dazu kommt
Was direkt von Beginn sehr gut geklappt hat, war die Futterumstellung. Da hatte ich mir vorher einige Gedanken gemacht, doch sie hat ihr neues Futter von Anfang an gut angenommen.
Nach ein paar Tagen hat sich ihre Aufregung etwas gelegt – zwar hat sie noch immer probiert, genau da hin zu gelangen, wo sie nicht hin sollte, aber wenigstens hat sie nachts mehr geschlafen und ist nur noch ein bis zwei Mal wach geworden. Doch recht schnell hat sich ein anderes Problem herauskristallisiert, welches sich nicht so schnell gelegt hat wie die Aufregung: Angst.
Während sie sich drinnen immer weiter entspannt hat, begann ihr das Draußen immer mehr Angst zu machen. Bereits nach wenigen Tagen hat sie freiwillig nicht mehr die Wohnung verlassen, auch wenn auf den Spaziergängen in den Tagen vorher überhaupt nichts schlimmes passiert ist. Die Folge: ich musste sie aus der Wohnung raus tragen. Hinzu kommt, dass ihr die Straße und die Geräuschkulisse alles andere als geheuer waren – sie hat sich eigentlich durchgehend umgeguckt und war total unruhig. Sie ist teilweise regelrecht in Panik verfallen, hat an der Leine gezerrt und wollte so schnell wie möglich nach Hause. Die ersten Versuche, wirklich kurze Spaziergänge zu gehen waren vorsichtig formuliert eine absolute Katastrophe.
Ich habe wirklich viel ausprobiert – doch in den ersten Woche hat so überhaupt nichts geklappt.
Über Verzweiflung
Ich weiß nicht mehr wie oft ich mir am Anfang selbst Mut zureden musste. Sie täglich mehrmals aus der Wohnung zu tragen, sie teilweise zur Wohnung wieder zurück zu tragen, ihre Unruhe, ihr Bellen bei jedem Geräusch was sie von draußen gehört hat – zudem war sie noch nicht stubenrein … all das hat ganz schön an meinen Nerven gezerrt. Ich hatte das Gefühl, dass ich überhaupt nichts auf die Reihe bekomme und habe nur das Negative gesehen. Dabei hat sie in der kurzen Zeit wirklich tolle Fortschritte gemacht. Es ist total schwer zu beschreiben, aber sie ist jeden Tag mehr und mehr hier angekommen. Auch wenn in den ersten zwei Wochen sowas wie Alltag noch extrem weit weg war, hat sie tagsüber mehr geschlafen und sich ausgeruht. Trotzdem war ich teilweise wirklich sehr verzweifelt. Einfach, weil ich natürlich nichts falsch machen wollte, mich aber auch so schlecht gefühlt habe, weil ich ihr mit ihrer Angst nicht so wirklich helfen konnte.
Der Sommer hat es wirklich nicht gut mit mir gemeint
In der dritten Woche kam der Sommer mit einem Knall, den ich wirklich nicht noch zusätzlich gebraucht hätte – bis zu 37 Grad waren es hier in Mainz. Draußen trainieren, Nola an die Straße und die Geräuschkulisse gewöhnen habe ich mir deutlich entspannter vorgestellt. Denn zu ihrer Angst kam nicht nur die Hitze, sondern auch wund gelaufene Pfoten und eine entzündete Kastrationsnarbe (durch das Ziehen hat das Geschirr immer wieder an dieser Stelle gescheuert), weshalb in drei Wochen drei Tierarztbesuche anstanden. Wie sollte ich Nola bei der Hitze, die ich selbst kaum ausgehalten hab, entspannt zeigen, dass die Straße total ungefährlich ist? Ein kleiner Lichtblick war der Besuch meiner Eltern, gemeinsam mit ihrer Hündin. Das war das erste Mal, dass seit ihrer Ankunft Besuch gekommen ist – und dann auch noch mit Hund. Es war ein Versuch, ich wollte sie langsam an fremde Menschen und auch an andere Hunde heranführen. Mit dem Wissen im Hinterkopf, dass ich dieses „Experiment“ jederzeit abbrechen konnte, habe ich es einfach ausprobiert – und es hat unfassbar gut funktioniert. Natürlich waren ihre Ängste nicht von jetzt auch gleich verschwunden – aber sie ist wirklich in diesen drei Tagen aufgetaut, hat sich von meinen Eltern streicheln lassen und am Ende mit meiner Mama auf der Couch gekuschelt. Luna, die Hündin meiner Eltern, wurde sie zwar nicht ihre beste Freundin, aber sie haben sich ganz gut verstanden und vielleicht hat sich Nola am Ende bei Luna sogar ein bisschen was abgeguckt. Spätestens an diesem Punkt habe ich festgestellt, dass Nola vor allem eine Sache braucht: Zeit. Ich war mir sehr sicher, dass ihr Verhalten nicht für immer so bleibt, sondern mit dem richtigen Training bald der Vergangenheit angehört.
Irgendwann ist Normalität bei uns eingezogen
Mir wurde schnell klar, dass sie deutlich länger braucht, um sich an all das Neue hier zu gewöhnen, als die zwei Wochen die immer als grober Richtwert angegeben werden. Ungefähr in der vierten Woche seit Nolas Ankunft hatte ich das erste Mal so richtig das Gefühl, dass sie hier angekommen ist und dass wir gemeinsam eine Art Alltag gefunden haben. Einige Sachen, die ich ausprobiert habe, haben nämlich irgendwann gut funktioniert – wie beispielsweise mit ihr den den Hof zu gehen, statt bei der Hitze irgendwie zu versuchen, einen kurzen Spaziergang in den Straßen zu machen. Das habe ich zusammen mit einer Hundetrainerin erarbeitet – wie sich schnell gezeigt hat, war das tatsächlich eine wirklich gute Idee und ich bin froh, dass ich mir an diesem Punkt Unterstützung von einer Expertin geholt habe. Neben den kleinen „Runden“ in den Hof gab (bzw. gibt es noch immer) es einmal am Tag eine große, ausgiebige Runde im Grünen – denn interessanter Weise blüht sie total auf, sobald Erde und Wiese unter ihren Pfoten sind. Da sind die Straßengeräusche ganz weit weg und man kann trotz Schleppleine ziemlich viel hin und her springen – da ist Nola voll in ihrem Element.
Die ersten vier Wochen waren wirklich anstrengend, das braucht man überhaupt nicht schön zu reden. Wie oft ich geflucht und geweint habe, weil ich mir das natürlich irgendwie anders vorstellt habe, kann ich nicht mehr sagen. Ich habe mich wirklich gut vorbereitet, habe so viel gelesen und recherchiert – und am Ende kam es dann doch völlig anders. Niemals hätte ich damit gerechnet, dass sie so viel Angst draußen hat und dass das eine große Baustelle von ihr wird
Die Adoption eines Hundes aus dem Tierschutz ist vermutlich nie leicht – doch sich eine Art Überraschungspaket nach Hause zu holen, einen Hund, den man vorher noch nie gesehen hat, ist quasi die Kirsche auf dem Sahnehäubchen und definitiv nichts für schwache Nerven. Denn selbst wenn das Päckchen, was der Hund mit sich bringt, nur klein ist, so muss man dennoch viel Zeit investieren, damit man zu einem tollen Team zusammenwächst.
Ich möchte es niemandem madig machen, einen Hund aus dem Tierschutz zu adoptieren, im Gegenteil. Ich glaube jedoch, dass man da vollkommen realistisch rangehen muss und die romantische Vorstellung, dass der Hund einfach nur dankbar ist und man direkt happy und zufrieden zusammenlebt, ganz schnell vergessen.
Ich bin tatsächlich extrem dankbar, dass ich meine Zeit mit diesem tollen Hund verbringen kann – und auch wenn es noch immer einige Baustellen gibt, die wir Stück für Stück angehen, bin ich froh, dass sie so tolle Fortschritte macht und so lieb, wild, verschmust, zutraulich, aufgeweckt und fröhlich ist. Von Sekunde eins hat sie sich streicheln lassen, genießt es, zu kuscheln – was überhaupt nicht selbstverständlich ist. Es wird leichter, jeden Tag. Wir sind noch lange nicht an einem Punkt angekommen, an dem man sagen kann: so, jetzt läuft alles glatt. Möglicherweise kommt dieser Punkt in ein paar Wochen oder Monaten – möglicherweise kommt er nie. Was ich jedoch weiß, ist dass ich mir schon gar nicht mehr vorstellen kann, wie es ohne sie war – und ich mich schon auf die kommenden kleinen und großen Abenteuer mit Nola freue.
Habt ihr auch Erfahrungen mit einem Hund aus dem Tierschutz gemacht? Wie erging es euch in den ersten Wochen? Ich freue mich, wenn ihr eure Gedanken in den Kommentaren mit uns teilt!
Eure Julia
Danke für diesen ehrlichen Bericht. Ich denke auch schon länger über einen Hund nach und es war einer der Punkte auf der Liste der Pro und Cons als ich erstmals darüber nachdachte mich selbstständig zu machen. Jetzt habe ich nämlich die Möglichkeit den Hund auch ins Büro mitzunehmen. Aber nach deinem Bericht erkenne ich sehr deutlich, dass es noch nicht der richtige Zeitpunkt ist. Ich wünsche dir und Nola aber alles erdenklich gute.
Hallo Martina,
danke für deinen Kommentar. So eine Entscheidung ist wirklich nicht leicht, die muss man gut abwägen. Freut mich sehr, dass dir der Bericht geholfen hat. Ich drück dir die Daumen, dass bald der richtige Zeitpunkt für einen Hund für dich kommt. So viel kann ich verraten: es wird leichter und entspannter, jeden Tag :).
Danke, dir auch alles Gute!
Liebe Grüße,
Julia
Permalink