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Gemeinsames Müllsammeln in der Stadt. Ein persönlicher Bericht.

Es ist Samstagmorgen, 10 Uhr, Mitte Dezember. Es ist kalt. Gerade einmal 4° Celsius zeigt die Wetter App auf meinem Handy an. Eigentlich eher die Bedingungen um gemütlich mit einer Tasse Kaffee auf der Couch in den Tag zu starten. Ich bin jedoch schon seit einer Weile wach, mit dicken Socken und Handschuhen ausgestattet und stehe gemeinsam mit drei weiteren Helfern vor dem örtlichen Unverpackt Laden und warte. Ob wohl noch mehr Leute kommen? Stolz präsentiert uns Rainer, besser bekannt als Abfall-Robin-Hood, sein selbstgebautes Müllfahrzeug. Im Laufe der Jahre haben sich seine Hilfsmittel, um möglichst schnell möglichst viel Müll zu sammeln, sehr verändert. Sein Fahrzeug verfügt mittlerweile über drei Mülleimer, in denen er das Gesammelte entsprechend trennen kann. Ich bin beeindruckt von dem Ehrgeiz und dem Engagement, den Rainer an den Tag legt. Wir warten noch einige Minuten, und hoffen auf weitere Mitstreiter. Mit insgesamt neun Erwachsenen und sechs Kindern laufen wir mit Mülltüten und Greifzangen ausgestattet durch die Mainzer Neustadt und legen los. Wir haben uns getroffen um gemeinsam Müll zu sammeln. Müll von Fremden, der achtlos, im Vorbeigehen oder aus Faulheit in die Straßen und Grünflächen geworfen wurde. Man muss nicht mal zwei Schritte gehen, um die ersten Dinge aufzusammeln.
Die Stimmung ist gut, die Leute unterhalten sich fröhlich während unsere Mülltüten immer voller werden. Es macht tatsächlich Spaß, so absurd das auch klingen mag. Aber die kalte Luft einzuatmen, sich zu bewegen und mit super netten Menschen unterwegs zu sein – ich kann mir schlimmere Freizeitbeschäftigungen vorstellen.
Das, was wir am Straßenrand finden, ist ziemlich vielfältig. Von Verpackungen über Plastiktüten und Spielzeug ist so ziemlich alles dabei. Was allerdings am häufigsten in meine Tüte wandert: Kippenstummel und Kronkorken. Und davon jede Menge. Wir können nur eine recht kleine Fläche der Neustadt ablaufen um den Müll aufzusammeln – schaut man in die nächsten Straßen nach links und rechts, blinzt direkt die nächste Plastikverpackung zwischen den Büschen der Grünanlagen hervor. Ich bin verärgert; interessiert es die Leute denn gar nicht, was mit ihrer Umwelt passiert? Ist es ihnen so egal, dass sich Tiere die Glasscherben in die Pfoten treten, sich an den Kippenstummeln vergiften können? Dass schon von weitem die bunten Plastikteilchen auf den Grünflächen in der Stadt leuchten? Eigentlich müsste man das alles so liegen lassen. Alles, was die Leute hier hin werfen und nichts davon wegräumen, damit sie sich irgendwann durch einen hüfthohen Müllberg zu ihrer Wohnungstür durchkämpfen müssen. So gemein rotiert es einige Minuten lang in meinem Kopf. Doch all diese negativen Gedanken verfliegen recht schnell wieder; die Überzeugung, dass wir hier etwas Gutes machen, überwiegt.
Was recht schnell auffällt: Wir bekommen Aufmerksamkeit. Die Leute, die um diese Uhrzeit auf dem Weg zum Bäcker sind, joggen oder mit dem Hund spazieren gehen, irritiert der Anblick einer Gruppe, die gemeinsam Müll sammelt. Doch die irritierten Blicke der Leute verunsichern mich nicht, im Gegenteil. Sie bestärken mich in meinem Handeln, in dem Gedanken, dass das hier eine verdammt gute Sache ist. Und dass es wichtig ist. Denn, natürlich, das ist nicht mein Müll. Und ich werde auch nie meinen eigenen Müll aus den Straßen aufsammeln. Doch der Rhein ist fußläufig vielleicht 10 Minuten entfernt. Beim nächsten Sturm besteht also durchaus die Möglichkeit, dass all das, oder wenigstens Teile davon, genau dorthin geweht werden. Und dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis diese bunten Plastikteilchen in unseren Meeren landen. Das soll in keiner Form Kritik an den Entsorgungsbetrieben der Stadt darstellen – diese machen in Mainz einen wirklich guten Job und sind viel in den Straßen unterwegs. Doch ich glaube, es ist einfach verdammt schwer, Herr dieser Lage zu werden.
Am Ende unserer Tour sammeln wir insgesamt über 60kg Müll – und das in nicht mal zwei Stunden. Im nahegelegenen ‚Brotposten‘ – einem Backwarengeschäft, in dem man Biobackwaren vom Vortag kaufen kann, gibt es Heißgetränke und Kuchen um sich hinterher aufzuwärmen. Danach geht es in den Unverpackt Laden; der Besitzer Majid Hamdaoui (der ‚Brotposten‘ wird übrigens auch von ihm geführt) und sein Team haben Spenden für den Abfall-Robin-Hood gesammelt, welche er als Weihnachtsgeschenk erhält.
Auf meinem Heimweg verstärkt sich das Gefühl, dass wir etwas wirklich Wichtiges getan haben: Wir sind aktiv gegen die Vermüllung der Stadt angegangen und haben vielleicht sogar die vorbeilaufenden Leute zum Nachdenken angeregt. Eins ist sicher: Bei der nächsten Müllsammel Aktion bin ich definitiv wieder mit dabei.
Danke an das unverpackt Team für diese tolle und wichtige Aktion!

Habt ihr auch schon mal bei einer solchen Müllsammelaktion mitgemacht?
Ich freu mich über eure Kommentare!
Eure Julia

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Kommentar

  1. Soll einer sagen: ,, Diiiie Jugend von Heut!“

    ,,Hut ab!“ Ihr habt uns die Augen , in so vielen wichtigen Dingen geöffnet .
    Gerne lass ich mich (77Jahre alt) von Deinen (Euren) Überlegungen inspirieren.

    1. Liebe Usch,
      danke für deinen lieben Kommentar! Es freut mich wirklich sehr, dass du auf meinem Blog ein bisschen Inspiration für dich findest. Ich sende dir ganz liebe Grüße, Julia